Die "Hochsensibilität" bleibt hier auch weiter Thema. Aus Gründen der Selbsttherapie, Hilfestellung für andere Betroffene und besserem gegenseitigem Verständnis. Und seien es auch nur ein paar spontane Gedanken. So wie diese hier: Gestern war ich seit langem mal wieder bei einem Konzert. SCHWACH aus Berlin und weitere gastierten im wunderbaren Emokeller in Essen. Der Abend endet mit einer Erkenntnis.

Erwartet jetzt bloß keinen klassichen Konzertbericht. Da muss das hier zu reichen: 

Es war das letzte Konzert der HC-Punx im Westen dieser unschönen Republik, bevor sie sich endgültig auflösen. Und es war sehr gut.

Worum es in einem Egozine aber viel mehr geht: Wie war der Abend für MICH?

Zunächst einmal - für die, die noch nicht so im Thema sind - eine kurze Erläuterung, was Hochsensibilität im Kontext Konzertbesuch für mich bedeutet ("für mich", da Hochsensibilität sich bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich bemerkbar macht / ausgeprägt ist): Hochsensible Menschen können im Regelfall Reize nicht (oder nur sehr bedingt) filtern. Wenn sich (wie hier vor dem Gig oder in den Umbaupausen) Menschen unterhalten, dann nehme ich das ungefiltert wahr und eben nicht nur die Person, die mir gerade gegenübersteht. Dazu kommt bei mir, dass ich ganz automatisch meine ganze Umgebung irgendwie teils unbewusst "scanne", so dass sich diese Wahrnehmung bei mir häufig nicht nur aufs akustische, sondern auch aufs visuelle bezieht. Die Anzahl bekannter Menschen kann dabei zum einen als Anker helfen, aber auch schon wieder zusätzlich maßlos überfordern. Alles in allem prasselt an so einem Abend ganz viel ungefiltert auf mich ein: Optische und akustische Wahrnehmungen ohne viel davon ausblenden zu können. Das kostet mega viel Energie und Kapazitäten, die mein Körper häufig in gar nicht ausreichendem Maße bereitstellen kann und was zu einer zusätzlichen Unsicherheit führt. Wenn ich am nächsten Morgen wach werde, ist mein Akku in einem tiefentlandenden Zustand. So wie bei Handys die Empfehlung ist, den Akku nicht unter 20% entladen zu lassen, ist er bei mir eben am nächsten Morgen auf diesen kontraproduktiven 0% und muss sich erstmal erholen, um überhaupt wieder aufgeladen werden zu können. Das alleine aufgrund der Einflüsse/Reize, die auf mich einprasseln und nicht etwa, weil ich zu spät ins Bett komme (gestern war das 23 Uhr, da das Konzert zum Glück früh durch war) oder zu viel getrunken habe.

Ich habe früher sehr viel Bier auf und vor Konzerten getrunken, was mir ein Gefühl von Sicherheit vorgaukelte. Nun ist es aber seit ein paar Jahren so, dass ich kaum mehr was vertrage. Ab 1,5 Liter besteht bereits die Gefahr, dass ich am Folgetag einen eindeutig Alkoholbedingten Kater habe, der mich den ganzen Tag jammern lässt. Mir bereitet das dann tatsächlich dermaßen körperliche Beschwerden, dass ich mich einfach nur hasse und ich mich im Bett hin und her wälze. Hohe Schmerzempfindsamkeit ist (wie auch negative Reize auf der Haut, wie z.B. durch viele Kleidungsstücke, weswegen ich nie diese schönen Fred Perry-Jacken anziehen kann, uäh!!) ein weiteres Merkmal vieler hochsensibler Menschen. Und wenn ich ganz ehrlich zu mir bin: Gut, dass es mit dem Alkohol so ist, so dass ich alleine deswegen schon gezwungen bin, nicht mehr so viel zu konsumieren.

Inzwischen schaffe ich es meinen Alkoholkonsum auf Veranstaltungen auf ein entsprechendes Maß herunter zu schrauben. Dabei ist mir aufgefallen und gestern irgendwie erst so richtig bewusst geworden: Es ist offenbar gar nicht die Wirkung des Alkohols für mich entscheidend (oder nicht mehr?). Vermute ich zumindest:

Gestern habe ich im Rahmen des Gigs in folgender Reihenfolge getrunken: 1 Jever Fun, 1 Hansa Pils, 1 Jever Pils, 1 Jever Fun, 1/2 Hansa Pils (weil ich den Rest tatsächlich weggesschüttet habe). Also ca. 1,3 Liter Bier mit Alkohol.

Das entspricht ungefähr 50 Gramm reinem Alkohol.

Heute bin ich komplett durch (nicht wie oben beschrieben alkbedingt-körperlich, sondern rein psychisch) und das scheint mir in dem Umfang ein Mix aus der (halbwegs geringen) Alkoholmenge und der Hochsensibilität zu sein.

Was mein Sicherheitsgefühl angeht, ist es - glaube ich zumindenst - scheißegal, ob ich Bier mit oder ohne Alkohol trinke. Nein, falsch! Es macht für mich an so einem Abend gar keinen Sinn mehr Bier mit Alkohol zu trinken. Für eine wirklich beruhigende Wirkung vor Ort reichen die Mengen meistens eh nicht, da ich aus o.g. Gründen bewusst bei maximal 3 Halbe Liter, über den Abend verteilt, bleibe.

Was ich aber gestern mal wieder verstärkt gemerkt habe: Ich brauche diese Flasche in meiner Hand, an der ich mich festhalten kann. Die gibt mir irgendwie ein Gefühl von Sicherheit. Egal ob da jetzt Alkohol drin ist oder nicht. Und auch das daran nuckeln gehört dazu. Ob beim schweigenden Zuschauen des musikalischen Akts auf oder vor der Bühne, oder beim Schnack draußen, um in einem gerade hochkommenden Gefühl der Unsicherheit und/oder der Überreizbarkeit einen Schluck nehmen zu können.

Ist die Flasche leer, hole ich mir ne neue. Hauptsache schnell wieder was in meiner Hand haben. Zum festhalten. Und zum dran nuckeln, gerade wenn eine Situation aufkommt, in der ich mich unsicher fühle. Positiver Zusatzeffekt: Eine (schnell) geleerte Flasche kann auch ein gelegener Moment sein, um sich einer unangenehmen Situation zu entziehen, indem mensch flott zur Theke "muss" um Nachschub zu holen.

Am Ende kam das halbe Hansa zum dran festhalten nur deswegen noch auf die Liste, weil Alkfreies Bier aus war und ich all das süße Zeug und auch Wasser auf Konzerten irgendwie gar nicht gerne trinke. Aber das Gefühl, mich weiterhin irgendwo festhalten zu müssen, war am Ende wichtiger, als der Verzicht auf ein weiteres alkoholhaltiges Bier.

Quintessenz: Solange es auf Veranstaltungen Alkfreie Biere gibt, die nicht so fürchterlich süß schmecken, ist das perfekt zum dran festhalten ohne den eh schon garantierten Hochsensibilitätskater am Folgetag unnötig durch Alkohol zu verstärken. Und seien die Mengen auch noch so gering (die bis zu 0,5% beim "Alkfreien" Bier jetzt mal ausgeklammert).

Jetzt bin ich gespannt, ob ich daraus auch meine Lehren ziehe oder ob ich spätestens bei der nächsten Zapfanlage (ich mag Fassbier einfach so verdammt gerne) wieder schwach werde und doch meine verstärkenden 3 "Echte" oben drauf packe.

Heute FCSP by youtube und sonst nix! Schönes Wochenende Euch.