Jaja, ich weiß, das sind zu viele Ecken, die nur in meinem Hirn stattfinden: Gemeint ist der Hut zum Dranstecken der Entschuldigung. Herhalten für das Füllen der Resttage des Sommerlochs (das wir - ehrlich gesagt - gerne gehabt hätten, aber gar nicht hatten) muss daher (aber wirklich nur beispielhaft) noch einmal Kevin B., weil er uns dieses wundervolle (sic!) Paradebeispiel geboten hat. Es ist aber auch übertragbar auf manch andere Fußballer*innen (und sonstige Menschen), die sich durch Äußerungen, Symbolik etc. fragwürdig (aka beschissen) positioniert haben oder noch positionieren. Und das geht so:

Frühherbst 2024. Der (damals) Wolfsburger Fußballspieler Kevin B. outet sich als Queerfeindlich. Kevin B. hatte sich mit den Worten "so eine schwule Scheiße unterschreibe ich nicht" geweigert, ein Wolfsburg-Trikot mit Regenbogen-Applikationen zu signieren. Amüsanterweise (sofern man in dem Kontext davon sprechen kann), spielte der VfL kurz danach am Millerntor und Kevin dürften angesichts der Pfiffe jetzt noch die Ohren piepen.

Nachdem das alles schön öffentlich geworden ist und viele, viele Medien über seine Äußerung berichtet hatten, sah Kevin B. sich offenbar zu einer Stellungnahme gezwungen. Ob auf Druck des Vereins (wahrscheinlich) oder aus eigenständig erkannter Selbstschutz-Notwendigkeit:

"Meine spontanen Äußerungen waren absolut nicht in Ordnung. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Das Thema wurde intern klar besprochen, und ich bitte um Verständnis, dass ich mich dazu nicht weiter äußern möchte."
(Quelle: Sportbild)

Bäm! Eine typische Nichtaussage, wie wir sie so oft hören. Es wird primär die Äußerung, sprich das Aussprechen, bedauert. Krönung hier: Darüber hinaus die Aussage, sich nicht weiter äußern zu wollen. Dabei wäre genau das die Grundvoraussetzung für eine - in gewissem Sinne - Resozialisierung.

Für die VfL-Vorgesetzten war danach wieder alles tutti. Und auch Mitspieler schienen mit dieser Entschuldigung fein zu sein. 

"Kevin hat sich entschuldigt für etwas, das sicher nicht gut war. Aber jeder Mensch macht Fehler. Klar ist: So etwas sollte sich nicht wiederholen. aber er hat auch eine zweite Chance verdient."
Maximilian Arnoldt, damaliger Spielführer des VfL (Quelle: Kicker)

Wären wir gefragt worden, wäre die Antwort eine andere gewesen:

"Entschuldigung? Drauf geschissen!"
Wir, damals und heute.

Lieber Maximilian (und viele, viele andere): Es geht hier nicht um einen "Fehler", sondern um eine grunsätzliche Haltung.

Mal davon abgesehen, dass Entschuldigungen häufig (nicht in diesem Fall) gar nicht Ichbezogen sind, sondern sich auf die Empfänger*innen beziehen ("es tut mir leid, wenn das so aufgefasst wurde"): Was genau bedeutet denn so eine Entschuldigung im Regelfall überhaupt? Was ändert das? Einmal ehrlich gemacht, bleibt da nicht viel mehr als der Versuch einer Schadensbegrenzug. Die Einstellung als solche, die (hier) Queerfeindlichkeit, löst sich damit ja nicht in Luft auf. Es sind Entschuldigungen für das Aussprechen oder auch mal für eine entsannte Symbolik. Aber ändert das was an der menschenfeindlichen Haltung? Nicht wirklich.

Trotzdem werden solche Entschuldigungen immer wieder öffentlich gefordert. Als sei danach wieder alles gut. Der Fußballzirkus muss weiter gehen und da ist ja auch noch das Geld, die Verträge und all das, was ja sowieso viel wichtiger ist.

We don't need your Entschuldigung! We need Reflexion und ehrlich gemeintes Umdenken.

Wenn Äußerungen erst einmal durch zahlreiche Medien kursieren, dann wiegen die Anschuldigungen im Regelfall schwer: Queerfeindlichkeit (häufig auch - aus unserer Sicht - fälschlicherweise als "Homophobie" nahezu verharmlost), Rassismus etc. Wobei "Anschuldigungen" häufig eher durch "Offenbarungen" ersetzt werden kann. Damit die Autor*innen, ihre Relativierer*innen und Steigbügelhalter*innen nicht weiterhin davon ausgehen müssen, dass mit so einer Entschuldigung (und evtl. einer kleinen vereins-/mannschaftsinternen Strafe, eieieieiei) alles Notwendige getan sei, kommt hier jetzt exklusiv für Euch der:

Leitfaden für (hier das passendes Wort einsetzen)

1. Reflexion: Setze Dich mit dem Inhalt des von Dir Gesagten und den konkreten Vorwürfen dazu auseinander. Es hilft auch nicht zu behaupten "ich bin gar nicht (hier das passendes Wort einsetzen)". Remember: AfD-Mitglieder behaupten ja nach wie vor auch, nicht fremdenfeindlich, rassistisch oder gar Nazis zu sein. Es gehört also deutlich mehr dazu als eine Entschuldigung und/oder pures Abstreiten, wenn das Gesagte/Entsandte doch nun wirklich für sich spricht.

2. Distanzierung: Wenn Du tatsächlich erkennst (aber auch wirklich nur dann), dass Deine (bisherige) Haltung zu dem Thema menschenverachtende Kackscheiße ist, distanziere Dich davon glaubwürdig. Wenn (1) schon nicht stattfindet oder zu keiner Änderung Deiner Haltung führt: Weiter mit Punkt 5.

3. Positionierung: Anstelle deiner ursprünglichen Positionierung (deine ursprüngliche Äußerung) erkläre und begründe deine (neue) Haltung dazu glaubwürdig und ausführlich.

4. Taten zu den Worten: Wenn Du 1 bis 3 tatsächlich erfolgreich durchlebt hast, wäre es natürlich auch schön, wenn Du etwas Wiedergutmachung betreibst. Denn wir dürfen nicht vergessen: Wenn Du menschenverachtende Äußerungen tätigst, gibt es immer Menschen, die davon betroffen und verletzt sind. Das kann eine (auch einmalige) ehrenamtliche Tätigkeit in dem Bereich sein, das kann eine Spende sein (Kohle hast Du ja im Regelfall genug), eine Patenschaft, die Teilnahme an einer Aktion etc. Das macht 1-3 noch  glaubwürdiger und zeigt auch denjenigen, die deine ursprüngliche Äußerung abgefeiert haben, dass Du es ernst meinst und nimmt ihnen etwas Wind aus den Segeln. Hinzu kommt, dass sie Dich zukünftig nicht mehr als prominente*n Unterstütze*rin missbrauchen oder gar idolisieren können. Das dürfte doch auch in Deinem Sinne sein.

5. Falls schon (1) nicht stattfand oder nichts gebracht hat, dann erwarte bitte alleine auf Grund Deiner nichtssagenden Entschuldigung (oder Abstreiten) nicht, dass wir Dich jetzt mit anderen Augen sehen oder wir unser Handeln und Verhalten Dir gegenüber nicht mehr an Deiner ursprünglichen Äußerung ausrichten. Deine ursprüngliche Offenbarung ist für uns die Grundlage und nicht eine unumgängliche nichtssagende Entschuldigung und/oder ein Abstreiten ohne wirkliche Reflexion, Distanzierung und Neupositionierung.

Also, liebe Alle: Hört bitte auf, einfach nur Entschuldigungen für menschenverachtende (etc.) Äußerungen einzufordern oder hinterher mit "er hat sich doch entschuldigt, jetzt ist aber auch mal gut"-Gelaber zu relativieren. Das trifft den Kern so überhaupt nicht.

Gern geschehen.